Montag, 5. Dezember 2011

Nordhessischer Autorenpreis

Ich gebe hier eine Pressemitteilung weiter für alle die sich am Nordhessischen Autorenpreis beteiligen wollen.

Wenn Kassel ein Planet ist, wie heißt dann dessen Sonne? Wenn Kassel ein Planet ist, welchen Wesen begegnet man dort, mit welchen Seltsamkeiten, Revolten und Subkulturen ist man konfrontiert? Wenn Kassel ein Planet ist, wer oder was ist man selbst – ein Terristischer, eine Astronautin, ein Komet, eine Mondenbewohnerin, ein Alien?
Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen in literarischer Form bleibt noch Zeit bis zum 3. Januar 2012. Die Initiatoren des 4. Nordhessischen Autorenpreises mit dem Titel „Planet Kassel“ erwarten Prosa oder Lyrik von Bewohnern des Planeten Kassel, seiner Monde und aus jeder denkbaren anderen Galaxie.
Texte an: Henrike Taupitz, Uhlenhorststraße 14, 34132 Kassel
Weitere Infos unter: www.nordhessischer-autorenpreis

Sonntag, 16. Oktober 2011

39. Jahresausstellung der Arche

Schiff von Torsten Schütt
Beverstedt Gestern am 16. Oktober öffnete „Die Arche“ zum 39. Mal ihre Ausstellung im Schulzentrum Beverstedt. Die Ausstellung kann noch bis 23. Oktober besucht werden. Dem kunstinteressierten Besucher erwarten die Werke von 49 Künstler die sich aus Mitgliedern des Vereins und Gästen zusammen setzen. Die Arbeiten sind eine Mischung aus Malerei verschiedener Techniken, Fotografie, Keramik, Holzarbeiten, Metallbau, verschiedene Objekte und Kunsthandwerk.
Skulptur vonTorsten Schütt
In der Einführungsrede wurde das Ruder des Vereins symbolisch an den neuen Vorsitzenden Rolf Wittig übergeben. Der scheidende Gründungsvorsitzende, Gerhard Furtwängler, bekannt auch unter dem Namen „Mister Arche“, hatte viele Jahre die Geschicke des Vereins entscheidend mit geprägt. Er wird künftig der Künstlervereinigung als Ehrenvorsitzender erhalten bleiben. Die neue „Crew“ ist am Start und hat die 39. Jahresausstellung organisiert. Zweck des Vereins ist es diese Ausstellung zu veranstalten. Eine Jury aus neun Mitgliedern beraten in mehreren Durchgängen welche Künstler und welche Werke ausgestellt werden dürfen. Bis Januar können sich Künstler beim Verein zur Teilnahme an der Ausstellung bewerben. Der Zulauf ist sehr groß sagte Rolf Wittig. Das läge daran weil viele Galerien in den letzten Jahren aufgegeben hätten. Der Verein „Die Arche Freie Künstlervereinigung e.V.“ besteht aus 61 aktiven und 7 passiven Mitgliedern. Dazu kommen noch mal 19 Künstlerinnen und Künstler die einen Gaststatus im Verein haben. Der Verein gründete sich in der Folge aus einem Volkshochschulkurs, welche sich aus der Suche nach Ausstellungsforen für die Kursergebnisse ergab. Die erste Ausstellung fand 1972 in der damals noch im Bau befindlichen Mittelpunktschule in Beverstedt statt. In den folgen 38 Jahren entwickelte sich „Die Arche“ zu einer bekannten Einrichtung der sich ständig wandelnden Kunstszene im Elbe-Weser-Dreieck. Die Werke der ausstellenden und ausgestellten Künstler sind in vielen Fällen in privaten Sammlungen und in öffentlicher Hand über gegegangen.
Gorilla
Die derzeitige 39. Ausstellung endet am 23. Oktober. In der Pausenhalle des Schulzentrums in der Schulstraße 6 breiten sich vor dem Betrachter eine breit gefächerte Palette interessanter Werke aus. Bei der Menge ausstellender Künstlerinnen und Künstler ist es unfair einige hervor zu heben, und gleichfalls kann in diesem Artikel nicht auf alles reagiert werden. Die Jury hat, so viel kann gesagt werden, einen repräsentativen Querschnitt aus der Region ausgewählt. Die Werke sind zuvor noch nicht ausgestellt worden. Und so bietet ein Besuch die einmalige Gelegenheit zu sehen wie sich die Künstler entwickelt haben. Der Raum mit seinen Fluren reicht für ca. 400 Meter Ausstellungswand. Auf den Freiflächen in der Halle sind Keramikarbeiten, Holzskulpturen und Weidenarbeiten aufgebaut. Manchmal wünscht sich der eine oder andere die Arbeiten wäre nicht gar so sehr gedrängt. Andererseits können mit den vielen unterschiedlichen Arbeiten in einem Raum auch leicht Vergleiche angestellt werden. Im „Cafe Arche“ gibt es die Möglichkeit zu einer keine Pause mit Kuchenstärkung. Es empfiehlt sich Zeit einzuplanen, denn alles in dieser Jahresausstellung ist sehenswert.
Die Räumlichkeit wird von der Gemeinde Beverstedt kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Kosten für Werbung, Beleuchtung etc. werden vom Verein aus eigenen Mitteln aufgebracht. Das macht den Verein unabhängig von Drittmitteln. Das die Ausstellung ein Erfolg ist dürften die Besucherzahlen bestätigen. Im vergangenen Jahr nutzen 2500 Gäste in einer Woche die Gelegenheit Kunst aus der Region zu erleben. So ein Ergebnis ist in diesem Jahr wieder zu erwarten gemessen am Besucherstrom vom Sonntag.
Weitere Öffnungszeiten sind von Mo. - Fr. 14:00 bis 18:00, Sa. 11:00 bis 18:00 und So. den 23.Okt. von 10:00 bis 17:00. Der Eintritt ist frei. Infos unter: www.kuenstlerarche.de 

Premiere „Der Goldene Drache“

Bremerhaven Am Samstag hatte „Der Goldene Drache“, ein Schauspiel von Roland Schimmelpfennig, Premiere im Kleinen Haus des Stadttheaters Bremerhaven. Das Ensemble mit Kika Schmitz, Mira Tscherne, Andreas Krebs, Kay Krause und Sebastian Zumpe überzeugte in der Regie von Tim Egloff. Das Stück wurde in einer Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum Stück des Jahres 2010 gewählt. Es geht um illegale Einwanderer. Und es geht darum wie man das Thema auf der Bühne umsetzen kann, den Ort in dem der Zuschauer direkt vor dem Geschehen sitzt.
Leere Bühne. Drei Wände mit goldenen Glitzergirlanden grenzen die Hinter- und Seitenbühne ab. (Bühnenbild von Janine Werthmann.) Die Schauspieler erwarten uns beim Eintreten. Sie tratschen und schauen uns zu. Sofort wird klar: Wir sitzen in einem Boot. Die Trennungslinie an der Rampe wird aufgehoben. Im Laufe des Spiels werden wir direkt angesprochen, aber nicht im Dialog, sondern wie Zuhörer einer Geschichte die uns im vertrauten Kreis am Kamin erzählt werden könnte. Intimität gepaart mit Distanz! Dann, als alle sitzen, wechselt das Licht. Temporeich legen sie los. Es beginnt in einer Küche in einem chinesischen Restaurant. Mindestens einer ist illegal, beschäftigt, eingewandert, vorhanden. Dumm das gerade dieser Zahnschmerzen bekommt. Der Zahn muss raus. Aber als Illegaler kann er eben nicht zum Arzt. Dann flöge er auf, die anderen wahrscheinlich auch. In der Folge beginnt eine Odyssee wie das Zahnproblem gelöst werden kann. Neben dieser Handlung, die der Rote Faden im Stück bleibt, gibt es Nebenschauplätze die das nähere Umfeld zeigen in dem die illegalen Menschen um uns herum leben, sich verstecken, sich ausbeuten lassen, sich ausnutzen und prostituieren lassen. Das die Zahnschmerzen zum unvermeidlichen Tod führen ist nur eine logische Konsequenz. Roland Schimmelpfennig zeigt in seinem Stück mit vielen klar verständlichen Halbsatzdialogen/Monologen und ellenlangen Aufzählungen vor allem den Weg und das Umfeld in dem es passiert. So ist der Lebensmittelhändler, großartig von Kay Krause dargestellt, einer von vielen Typen die dieses Umfeld bilden. Da sind noch zwei Stewardessen, dann ein junges Paar das überraschend ein Kind erwartet, ein anderes Paar mit Alkohol- und Beziehungsproblemen, der alte Mann der sich mit seiner Nichte trifft. Je weiter das Spiel voran schreitet stellt sich heraus das alle auf die eine oder andere Art mit einander verbunden sind. Dennoch sind die Illegalen streng getrennt von dem Umfeld in dem sie leben. Und es dürfen Fragen gestellt werden: Unterscheiden sich die Illegalen von den offiziellen in ihrem sozialem Dasein? Was trennt letztendlich die Gruppen voneinander ausser die Gesetzgebung?
In der Inszenierung fallen einige Dinge auf. Männer spielen Frauen und umgekehrt. Was hier erzählt wird ist nicht genderspezifisch, sondern menschlich. Im Stück ist die Fabel von Jean de la Fontaine von der Ameise und der Grille eingearbeitet. Die Darstellung dieser Metapher ist mit Spielrhythmik und gelungener Requisitenauswahl wunderschön, oder sollte ich sagen fabelhaft, umgesetzt. Tim Egloff ist es sehr gut gelungen die vielen Spielebenen und versteckten Schauplätze zu organisieren. Das erlaubt schnelle Wechsel von Szene zu Szene, das gibt Raum die verbindenden Gedanken zu einem straffen Seil zu knüpfen. Und dann geschieht in der zweiten Hälfte etwas besonderes. Der Funke springt über. Die Grenze zwischen spielen und betrachten löst sich auf. Es ist ein gemeinsames Erlebnis. Wir urteilen nicht mehr aus unseren Sesseln heraus, wir sind Teil des Geschehens. Das ist sicherlich dem Ensemble zu verdanken, dass mit hohem Einsatz und überzeugendem Engagement uns alle in den Bann zieht. Dafür ein „Bravo!“ Das lässt uns vergessen und darüber hinweg sehen das einige Passagen in der überschnellen Dynamik nicht richtig zu verstehen waren. Denn Theater ist erleben und nicht urteilen, und schon gar nicht Geschmack. Man kann nur hoffen das sich der Erfolg schnell herum spricht. Denn ca. ein Drittel der Plätze im Kleinen Haus blieben leer. Dafür war der verdiente Applaus anhaltend und herzlich.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Kunstkalender in der Buchhandlung Mügge

Bremerhaven Am 4. Oktober legte eine Künstlergruppe aus Bremerhaven und der näheren Region einen immer währenden Kalender vor. Die einzelnen Kalenderblätter sind im Schaufenster der Buchhandlung Mügge in der Bgm.-Smidt-Straße ausgestellt. Der Kalender ist dort auch käuflich zu erwerben. Die erste limitierte Auflage ist auf eine Stückzahl von 70 begrenzt. Der Kalender besteht aus 12 Monatsblätter und einem Deckblatt. 14 Künstler sind an diesem Projekt beteiligt.
Dieses Kunstprojekt zeichnet sich durch viele Besonderheiten aus. 14 Künstler zu vereinigen klingt schwieriger als einen Sack Flöhe zu hüten. Die Künstler in der Region sind aber schon seit längerem gut vernetzt. Und so hat sich eine Gruppe gefunden die kreativ, produktiv und sehr unterschiedlich zu einem gemeinsamen Ergebnis kam. Die einzelnen Drucke sind von hoher künstlerischer Qualität. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, dass bemerkenswertes künstlerisches Potential in der Region zu finden ist. Die Lebensqualität in der Region könnte noch viel besser werden wenn dieses Potential gebührlich gefördert würde. Nicht nur das die Künstler ein dem Prekariat überschreitenden Lebenstandart erlangen könnten, sondern viel mehr würde die Region für Touristen einen weiteren Wert bekommen hier zu verweilen. Kunst als touristischer Anzugspunkt ist ja schon in anderen Regionen der BRD erfolgreich durch geführt worden. 
Die Herstellungsbedingungen für diesen Kalender muss man als aufwändig oder gar notdürftig bezeichnen. Der Zeitaufwand übersteigt jede Vorstellung von Wirtschaftlichkeit. Ein Grund warum man Kunst nicht mit ökonomischen Wertenormen messen kann. Auf einer asbachuralten Plakatpresse sind die Drucke entstanden. Ein Monatsblatt wurde mit kleinen Handstempeln gefertigt, die kombinierten Druck-Zeichnungen von Margitta Sündermann wurden einzeln von Hand gezeichnet, die Fotografien von Sandra Juras entstanden in einem improvisiertem Labor im Keller quasi zwischen Eingemachtem und Brikett. Zusammengelegt wurde der Kalender in Privaträumen die sie freundlicherweise nutzen konnten, und im Kulturladen Wulsdorf. Man kann für diese Arbeit nicht genug Bewunderung aufbringen um den Idealismus und das Engagement zu würdigen.
Das Thema zu diesem Kalender lautet: vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran. Damit haben sich die einzelnen Künstler beschäftigt und ihre Grafiken gestaltet. Keineswegs ist damit die Irrwege in der Entwicklung der Stadt Bremerhaven zu sehen. Auch wenn es noch so verlockend wäre. Viel mehr kann man es positiv sehen wie z.B. Conny Wischhusen. Eine Entwicklung muss vorwärts, voran gehen. Man muss den Mut haben um etwas vorzuschlagen das anders ist als das Bekannte. Dabei betritt man Seitenwege, auch Umwege, und muss mitunter Rückschritte hinnehmen. Aber wer dieses Wagnis nicht angeht wird nicht dran gehen um eine Entwicklung einleiten zu können. In diesem Sinne ist es vielleicht auch zu wünschen das die Politik der Stadt sich kreative Querdenker anhört um die Stadtentwicklung nicht nur im wirtschaftlichen Interesse zu gestalten.
Fast alle Künstler in einer Fotomontage vereint. G. Pollakowski, Hilke Sens,
 Rotraud Schmitter, Barbara Meyer, Conny Wischhusen (© Foto), Romuald Mysiakowski,
Margitta Sündermann, Ingeborg Rath, Sandra Juras, Steffen Liebsch und Hilke Leu
Beteiligt waren Lutz Graaf, Michael Jakobs für das Kalendarium, Sandra Juras, Jutta Kerper für den Infotext, Hilke Leu, Steffen Liebsch, Barbara Meyer, Romuald Mysiakowski, Godehard Pollakowski, Ingeborg Rath, Rotraud Schmitter, Hilke Sens, Margitta Sündermann und Conny Wischhusen. Überwiegend sind die Monatsblätter Drucke von Linolschnitten, aber auch Fotografie, Siebdruck und Zeichnungen tauchen auf. In den wenigen Tagen die der Kalender bei Mügge ausliegt sind schon einige verkauft worden. Wer diesen Kunstkalender in seine Sammlung nehmen will sollte vielleicht nicht bis Weihnachten warten. Dann könnte es schon lange zu spät sein. Im Hinblick auf die Einmaligkeit dieser Aktion wäre es auch wünschenswert wenn ein Exemplar vom Stadtarchiv erworben wird. Denn Kunst und ortsansässige Künstler bekommen ein immer größeres Gewicht in der Wahrnehmung der Stadt Bremerhaven. Es wird immer dringender den Bremerhavener Künstlern eine Identität mit Aussenwirkung zu verleihen und somit den Wert der Stadt zu heben. Mit diesem Projekt werden die ungehobenen Potentiale sichtbar.

Montag, 10. Oktober 2011

Kunstraum mit aktueller Doppelausstellung

Stuhl auf Holzstele von
Gudrun Denzel-Pfeil
Bremerhaven In den nächsten Wochen bis zum 30. Oktober präsentiert der Kunstraum Geestemünde in einer Doppelausstellung die Werke der Malerin Edelgard de Ahna und der Bildhauerin Gudrun Denzel-Pfeil. Bei der Eröffnung am Freitag stellte der Standortmanager Thomas Venske die Bedeutung der Galerie für Geestemünde heraus. Er lobte das große private Engagement mit dem die Interessengemeinschaft über die letzten Jahre den Kunstraum zu einer Einrichtung entwickelten. Trotz leerer Kassen sei es wichtig das diese Einrichtung auch in Zukunft weiter bestehe.
Der Kunstraum ist voll mit dieser Ausstellung. Voll in dem Sinne das man so viele unterschiedliche Arbeiten zu sehen bekommt. Dabei liegt der Schwerpunkt bei der Malerin auf das Experimentelle und bei den Skulpturen in der Vielfalt der Materialien. Edelgard de Ahna zeigt Bilder die in mehreren Schichten aufgebaut sind. Sie setzt viele Malwerkstoffe und Techinken ein um zu neuen Ergebnissen zu gelangen. Da findet sich eine Frottage-Arbeit neben Bildern die mit Eisenoxid und Oxidation spielen. In der farbigen Gestaltung gibt es ein Bild das mit vielen grau und grauähnlichen Tönen spielt, und andere die in ihrer Farbvielfältigkeit kaum zu übertreffen sind. Die Bilder bieten ein breites Studienfeld für Menschen deren Interesse sich auf handwerkliche Möglichkeiten in der Malerei richtet.
Baumbild von Edelgard de Ahna
Gudrun Denzel-Pfeil zeigt Arbeiten in Alabaster, Holz, Stahl und Stahl mit Bronze. Bei ihren Skulpturen sieht man das es auch immer darauf ankommt wie ein Objekt im Raum präsentiert wird. Ein Stuhl steht auf einer hölzernen Stele direkt am Eingang und bekommt viel Aufmerksamkeit. Er wird von den Gästen mit einem Thron verglichen. Im Schaufenster  liegt ein weiblicher Akt aus Alabaster, angestrahlt mit einer Lampe wie eine Ware. Im Nebenraum zwischen den Baummotivbildern von de Ahna steht ein polierter Stumpf der flehend seine Äste in die Höhe streckt. Still an der Wand und in einer Mauernische warten schlanke Schmiedearbeiten geduldig und verhalten. Gleich rechts vom Eingang drückt sich eine schwarze Holzsäule dürr in die Höhe dass man sie fast übersieht. Erst auf dem zweiten Blick erkennt man die beiden kleinen Köpfe am oberen Ende. Ein Kastanienstamm ist mit einer Kettensäge ausgehöhlt. Die scharfe Sägekette hat ein filigranes Muster hinterlassen.
Beiden Künstlerinnen ist gemein das sie offensichtlich auf der Suche sind. Auf der Suche nach was? Vielleicht suchen sie aus der unendlichen Fülle der materiellen Welt das eine Ideale, welches es nicht gibt, nicht geben kann aber unser Streben aus macht. Planen sie etwas Ruhe und Geduld ein für einen Besuch. Denn es gibt nicht nur viel zu sehen. Lassen sie sich auch in vielerlei Hinsicht durch die handwerkliche Vielfalt inspiriert.
Der Kunstraum Geestemünde hat geöffnet von Mo. - Fr. 16:00 bis 19:00 Sa. 12:00 bis 15:00 und So. 14:00 bis 17:00

Montag, 3. Oktober 2011

Artefaktur in der „Alten Bürger“ 194

Bremerhaven Am Sonntag öffnete für zwei Monate die Artefaktur „take five“ in der Alten Bürger 194. Das von der WIN geförderte Projekt bietet fünf Künstler aus der Region einen Werkstattplatz um die Alte Bürger kulturell zu beleben.
Der Raum, ein derzeit leer stehendes Ladengeschäft, wirkt ehr klein um darin zu fünft zu arbeiten. Wer die einzelnen Künstler kennt weiß das sie eigentlich viel mehr Platz benötigen. Da dieses Projekt auf nur zwei Monate befristet ist können sie sich damit aber arrangieren. Bei der hohen Anzahl leer stehender Geschäfte und Häuser in der Stadt ist es allerdings verwunderlich, dass noch immer kein eigenständiges Künstlerhaus von der Kulturverwaltung bereit gestellt wurde um Bremerhaven auch künstlerisch in ein bemerkenswertes Licht zu stellen. Lieber baut man einen Tourismuskropf wie das Mediterraneo in dem ein Laden nach dem anderen sie Segel streicht als das man ein Angebot im kulturellem Sinne für Urlauber erstellt, deren Erlebnis-Interesse nach dem Shopping noch lange nicht erschöpft ist. Das könnte dazu führen das Bremerhavener Künstler zusätzliche Einkünfte erzielten, und einen kleinen Schritt weiter aus dem Prekariat treten könnten. Die Förderung durch die WIN kann bestenfalls als Trostpflaster verstanden werden. Nach zwei Monaten ist das Projekt gelaufen, also keine Nachhaltigkeit. Die fünf Künstler bekommen auch kein ordentliches Entgelt um ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit  davon zu bestreiten. Es handelt sich also bestenfalls um eine Förderung zur Selbstausbeutung.
Der Raum
Die Künstler sind in der Stadt sowie der Region Bremerhavens und bundesweit, und einige sogar international, durch viele Ausstellungen bekannt und anerkannt. Letztendlich ist es ihrem Engagement – und noch vielen anderen Künstler aus der Region – zu verdanken, dass Kunst und Kultur, in dieser Vielfalt wie wir sie nahezu kostenlos kennen und erleben, existiert. Die Idee zu dieser Kunstaktion kam vom Stadteilmanager Jens Rilke der Conny Wischhusen darauf ansprach ein Projekt zu entwerfen um die Alte Bürger zu beleben. Sie kümmerte sich um weitere Künstler und so versammelten sich neben ihr noch Anjou Reuter, Ingeborg Rath, Hilke Leu und Alfredo Caranguejo unter dem temporären Namen „take five“. Die Gruppe ist nicht zu verwechseln mit der ehr zufälligen Namensähnlichkeit „pink five“ aus Langen. Die Künstler werden in den kommenden Wochen Artefakte herstellen die in der Alten Bürger an unterschiedlichen Orten verbleiben. Alfredo Caranguejo arbeitet eine Figur aus einem alten Scheunentorteil, einen Musiker. Hilke Leu hat einen groben Holzklotz mit einem vorgearbeitetem Gesicht der in dieser Zeit mit Farbe und Beitel vollendet und dann auf einer Stahlstele präsentiert wird. Ingeborg Rath wird dem interessiertem Publikum die Technik des Papierschöpfens erläutern und vorführen. Ausserdem kollagiert sie im „Cafe de Fiets“ im Raucherraum die Säule mit selbst geschöpften Papieren. Anjou Reuter arbeitet mit Weidenzweigen. Conny Wischhusen macht Linolschnitte von Häuserfassaden der Straße um sichtbar zu machen welch´ schönen Häuser leer und ungenutzt herumstehen und verfallen.
Am 27. November werden die Kunstwerke präsentiert und übergeben. Die Werkstatt ist Mo. bis Fr.  von 17h bis 19h und Samstags von 15h bis 17h geöffnet. Sonntag ist Ruhetag. Besucher sind herzlich willkommen. 

Mittwoch, 28. September 2011

Nur ein Kätzchen für Tennessee Williams

Einer Metapher gleich liegen ausgebreitet Europaletten auf der Bühne und reichen in Laufstegen über den Orchestergraben hinaus bis auf den Schoß der Gäste in der ersten Reihe. In der Bühnenmitte türmen sich weitere Paletten zu einer Wand auf und öffnen mit transparenten Vorhängen einen Spielraum in dem Luxus und Dekadenz sich nach Freuden ausbreiten kann. Die sparsam eingesetzten Lichtwechsel vollenden eine Stimmung in der die Lebenslügen der Familie Big Daddys zum Vorschein kommen können, an seinem Geburts- und Sterbetag. Ein Lob an Claus Stump für diese Ausstattung. So eröffnete „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee Williams in der Regie von Kirsten Uttendorf im Großen Haus des Stadttheaters Bremerhaven am vergangenem Samstag.
Europaletten sind ein treffendes Bild. Auf diesem genormten Transportmitteln wird weltweit alles denkbare Handelsgut befördert. Sie stehen zum einen als Zeichen für Umsatzgewinne in unvorstellbaren Dimensionen, Reichtum für die wenigen die den Markt kontrollieren. Andererseits wird schon allein durch die normative Reproduzierbarkeit angezeigt wie groß das Heer der Arbeiter oder Industriezeitsklaven sein muss um diese Flut von Waren zu bewegen. Die Europaletten im Bühnenbild sind offensichtlich neu. Und dennoch ahnt man unvermittelt den Schweiß und die Erschöpfung einerseits, so wie die dicken Zigarren und Schirmgetränke in feudalen Salons andererseits.
Big Daddy hat sich von dem Staub der Straße durch Hände Arbeit und geschickter Manipulation an die Spitze der 28.000 Morgen großen Baumwollplantage gestellt. Er ist ein Mann ohne reinem Gewissen. Er ist ein Tyrann der den letzten Funken Menschlichkeit darin bewahrt, in dem er seine Familie über alles stellt. Aber dieser Wert der Familie ist nicht aufrichtig. Es ist lediglich ein Beruhigungsteil im Puzzle der patriarchischen Big-Daddy-Dynastie. Jetzt am Ende seines Lebens bröckelt und bricht die mühsam aufgebaute Fassade in sich zusammen. So lange er mit Macht und Gewalt alle unter Kontrolle hielt, liefen die Dinge in geordneten Bahnen. Doch wenn die Kontrolle und Gewaltherrschaft an Lebenskraft verliert, dann blitzen die unterdrückten Begehrlichkeiten der einzelnen Familienmitglieder auf und bringen den Herrscher zu Fall. Gadaffi war so ein Big Daddy, Muscharaff auch und in abgeschwächter Form finden wir solche Charaktere überall in der Welt. Und ja, sie vermuten ganz richtig, auch in unserer Nachbarschaft werden sie fündig.
Tennessee Williams hat diesen Verfall und die aufkeimenden Begehrlichkeiten präzise beschrieben. Wenn Ibsen die Psychologie auf die Bühne gebracht hat (Nora oder ein Puppenheim), dann ist Tennessee Williams der Dramatiker der mit feinen psychologischen Nuancen Charaktere beschrieben hat die das Theater auf eine neue Kommunikationsebene gehoben haben, in die Vierdimensionalität, ein Raumzeit-Seelen-Kontinuum. Die Charaktere sind wie Göttergestalten angelegt und kaum noch mit realen Menschen zu vergleichen. Brick, gespielt von Andreas Möckel, trinkt an Big Daddys Geburtstag nahezu drei Flaschen Whiskey ohne erkennbar betrunkener zu werden. Und erst als er die Dritte fast geleert hat, setzt seine Transformation ein. Das ist kein Mangel an Schauspielkunst, vielmehr ist es die Entscheidung wie T. W. metaphorisch die Dimension vom Innenleben eines universalen Brick anlegte. Maggi, seine Frau, ist die fleischgewordenen Walküre die nicht nur bildlich gesprochen alles dafür gäbe um Bricks Liebe zurück zu gewinnen und in einem Triumph aufsteigen zu lassen. Um so mehr ist es mir allerdings ein Rätsel, warum die Regie diese beiden göttergleichen Potentiale so flach und unspezifisch angelegt hat. Brick kommt kurz vor der Pause zumindest annähernd an die Dimension die man einem Brick-Charakter abverlangen darf. Maggi, gespielt von Sascha Maria Icks, kommt nicht über eine sich anbiedernde Gebärbereite hinaus. Wer Frauen – und auch Männer – allein über ihren Sexualtrieb zu definieren sucht hat vom Menschsein, von der Seele der Menschheit und von Tennessee Williams nicht viel verstanden. 
Die offensichtliche oder vordergründige Handlung beschäftigt sich damit das ausser Big Daddy und Big Mama es alle wissen: Big Daddy wird am Krebs sterben! Es traut sich nur niemand dem Hausherrn die Wahrheit zu eröffnen. Und hier stellt sich nun die Frage warum uns diese Inszenierung vorgestellt wird. Ist es ein versteckter Hinweis den Tyrannen dieser Welt mitzuteilen, dass ihre Zeit vorüber ist? Ist diese Inszenierung so etwas wie ein sozialgeschichtlicher Rückblick ins Jahr 1955? Oder wird hier die gesamte Bandbreite der Emotionen, Liebe, Hass, Neid und alle Familienthemen wie Ehe, Kinder, Sex, Krankheit und Tod lediglich angesprochen? Deutlich wird es nicht. Der Herr neben mir in der Reihe klagte nach der Pause bereits das Stück „… habe einige Längen.“ Als im dritten Akt Gooper mit Vertragsentwürfen über die Nachlassregelung anrückt und Dr. Baugh das Morphium für den Sterbenden auspackt riskiere ich einen kleinen Rundblick. Drei Gäste entdecke ich die das Schauspiel für sich zum Hörspiel gewandelt haben. Das mag daran liegen weil die Sehgewohnheiten durch Film und TV geprägt sind. Es gibt Erhebungen die besagen das TV-Nutzer nach spätestens fünf Sekunden, in denen nichts neues passiert, umschalten. Als Big Daddy erfährt das er eben doch am Krebs sterben wird, steht er geschlagene 16 Sekunden reglos da, kein Wort, keine Spannung und keine Reaktion. Und das war nicht die einzige Situation: es gab pathetische Abgänge, ostentatives Gelausche und bedeutungsschwangere Momente in denen nur die Zeit lautlos verfloss. Wir auf der anderen Seite der Rampe müssen raten, rätseln und vermuten. Ein manipulativer Druck lastete auf dem Auditorium der vereinzelt, verständlicher Weise, einschläfernde Wirkung hatte.
Der Premienapplaus forderte das Ensemble mehrmals zur Verbeugung auf die Bühne heraus. Theater ist weit mehr als Unterhaltung, und um die Tiefen wie sie Tennessee Williams beschreibt auszuloten, hätte man dem Spiel mehr abverlangen dürfen. Die Schauspieler wären sicher dazu bereit gewesen. Diese Inszenierung bietet die Möglichkeit zu einer kontroversen Diskussion darüber was man von einer professionellen Bühne erwartet darf. Diese Auseinandersetzung sollte man als Theaterliebhaber Bremerhavens einfordern. Dann hat der neue Intendant noch Möglichkeiten in den kommenden Jahren zu reagieren.
Weitere Vorstellungen am 2., 7., 14. und 22. Okt. 2011 jeweils um 19:30.

Samstag, 17. September 2011

Rilkes Requiem für Paula

Eine kleine Gruppe Theatergäste steht in Grüppchen auf den mit Kerzen und Teelichtern beleuchteten Rasen. Wenige Schritte entfernt steht die aus Lehm errichtete Hütte mit tanzenden Fenstern geschützt unter Baumkronen. An der Kasse wurden wir aufgefordert zu warten bis alle gemeinsam eingelassen würden. Es ist noch Zeit für ein Glas Wein und um in den ausgelegten Büchern zu blättern. Wer auf dem Barkenhoff Worpswede zum Theater kommt sollte sich die kurzen Augenblicke der Einstimmung gönnen. Es lohnt sich. Denn die Cosmos Factory Theaterproduktion von Oliver Peuker und Ute Falkenstein läd zu einem Erlebnis ein, einem theatralen Erlebnis Geschichten intensiver zu erfahren.
Nun werden wir herein gebeten. Wir treten einzeln ein, größer ist die Tür nicht. Schon an der Tür empfängt uns ein Duft, ist es Weihrauch? Der Raum ist dunkel, nur auf der Spielfläche ist Beleuchtung, gerade hell genug um seinen Platz zu finden. Die Stimmung ist damit klar: Andacht, Rückschau, Einkehr und Gedenken an Vergangenes. Die Aufführung wird 40 Minuten dauern. Oliver Peuker, als Rainer Maria Rilke verkleidet, sitzt mit dem Rücken zu uns in einem Lehnstuhl und zupft versonnen an einem Saiteninstrument. Es klingt japanisch. Nachdem alle sitzen und Stille einkehrt, die Klänge in einer fernen Melodie enden, beginnt er zu sprechen. „Ich habe Tote“. Lang sitzt er dort und spricht von uns fort. Dann kommt der Moment das er sich erhebt. Er geht ein paar Schritte, zündet eine Kerze an, und noch eine. Während Peuker im Text voran kommt führt er eine Reihe symbolischer Handlungen aus. Diese sind besser zu verstehen wenn man das Requiem vorher gelesen hat und nachempfinden konnte. Der Sprachduktus ist ein ehr kräftiger, den man dem kränkelnden Rilke kaum zugetraut hätte. Wo findet all dies statt? Der Raum, die Handlung und die symbolischen Momente deuten wohl einen geistigen Raum an. In diesem Raum hat sinnliche Erfahrung eine untergeordnete Bedeutung. Das erlaubt den Betrachter eine distanzierte Betrachtung. Einem Requiem angemessen gibt es keine großen Schwankungen im Rhythmus. Man wird nicht mitgerissen, sondern man muss schon ein gehobenes Interesse mitbringen um diese Form des anspruchsvollen Theaters zu verstehen. Das ist sicherlich einem Poeten wie Rilke angemessen. Es wird Respekt vor der großen Kunst, dem großen Werk Rilkes eingefordert.
Dann ist es vorüber. Peuker alias Rilke geht ab, hinaus in den Garten durch die Tür durch die wir eintraten. Eine weitere Symbolik? Es herscht einen Moment Verwirrung. Ist das Stück schon vorbei? 40 Minuten können so kurz sein wenn man sie intensiv erlebt. nach einem gebührenden Applaus bleibt etwas wie Beklemmung zurück. Niemand wagt aufzustehen. Man spürt etwas besonderem beigewohnt zu haben, kann es aber noch nicht einordnen. Vor mir sitzen zwei Damen die im Gebet versunken scheinen, ein andere ist den Tränen nahe, wiederum ein anderer konnte offensichtlich nichts mit all dem anfangen und aus den hinteren Reihen kommt ein Kommentar: „Es traut sich keiner aufzustehen.“
Bis zum 25. September Fr., Sa. und So. jeweils 19:00, 20:00 und 21:00 gibt es noch neun Möglichkeiten dem Requiem einen Besuch abzustatten. Ich empfehle sich vorher inhaltlich zu informieren, und die Bereitschaft zu geben von einem Spiel konfrontiert zu werden welches Eigeninitiative verlangt.

Mittwoch, 7. September 2011

Die 39 Stufen

Auf der Bühne hängt ein wunderschöner roter Vorhang. Es ist ein ganz leichter Stoff, der schon bei leichtem Zug mit große Bögen in die Bühnentiefe schweift und schwebt. Er hat einen doppelten Faltenfall. Einmal sind da die großen Faltenbögen die von oben bis auf die Bretter die die Welt bedeuten reichen. Es kommt einem so vor als wäre der Stoff so leicht, dass der Vorhang durch die großen Falten stehen wenn nicht gar fliegen würde. Man könnte fast behaupten der seidenweiche Vorhang weht federleicht über den Brettern. Als sei dies eine Metapher oder Allegorie für das was den Besuchern erwartet. Und dann sind da noch die anderen Falten. Sie sind überall und in allen Richtungen. Wie ein gestärktes Baumwollhemd, ungebügelt, nur viel größer und leichter. Diese Falten sorgen für das Farbspiel aus Rot. Man stellt sich gar nicht vor wie viele mögliche Schattierungen und Abstufungen es bei der dunkelroten Farbe gibt. Es ist nur ein geringes Farbspektrum. von Karminrot bis manchmal ein wenig Bordeaux. Das ist interessant: All die Farben, all die Falten, all die Bögen, Aldi Süd. Wenn sie nun denken ich hätte einen schwachen Witz gerissen dann stimme ich voll und ganz zu. Ich habe ihn sogar abgekupfert, gestern Abend im Stadtheater Bremerhaven, Kleines Haus, bei "Den 39 Stufen".
Das Stück kommt beim Publikum an, keine Frage. Es ist im Stadtgespräch schon so oft positiv dargestellt worden, dass man es gut finden muss. Es ist sogar so gut, dass man gar nicht mehr hinterher kommt es gut zu finden. Von den gefühlten 7394 Gags die eingebaut wurden und mit gnadenloser Penetranz ausgespielt werden sind ca. 30% gut angekommen. Es scheint hier eine Regieleistung in der Form des Antilopen-Prinzips vorzuliegen. Sie kennen das Antilopen-Prinzip nicht? Wenn eine Herde Antilopen von einem Löwen bedroht wird, dann rücken sie zusammen, in der Hoffnung es möge die Antilope neben einem selbst erwischen. Tatsache ist aber, selbst ein Löwe hat an einer Antilope lange Zeit zu verdauen. Nein, kein Zweifel, „Die 39 Stufen“ sind eine Klamotte für die sich lohnt ins Theater zu gehen. Und mit lohnen möchte ich einen quantitativen Aspekt ansprechen. Irgend Jemand muss wohl gedacht haben das mehr Witze auch besser ankommen, weil mehr eben besser ist. Nun, jemand der noch völlig unerfahren ist sei diese Blauäugigkeit zugestanden. Das wäre ein guter Regieeinfall für ein Schultheater in der zweiten oder dritten Klasse. Da amüsiert man sich auch, denn man weiß die Kinderlein haben ja ihren Spass. Und wenn die Kinder Spass haben, dann freut man sich mit – ist doch  selbstverständlich.
Und während ich so dem lustigem Treiben auf der Bühne zuschaute, blitzen so einige Fragen vor meinem inneren Auge auf. Kürzlich hatte ich den Film „Gladiator“ auf DVD gesehen. Da sind eine Menge Szenen in denen die Tod Geweihten zur Unterhaltung der Bürger Roms sich von Tigern und Gladiatoren zerfleischen lassen. Das ganze nannte man „Spiele“ und warf dem Publikum „Brot“ in die Ränge. Das hatte den Vorteil dass das Volk die Klappe hält um in der Dekadenz zu ersticken. War das gemeint als Westerwelle von der spätrömischen Dekadenz sprach? Hätte ich ein durchweg vergnügtes Publikum gesehen das sich von Lachsalve zu Lachsalve steigert und stürzt, dann wäre mir dieser Gedanke an Dekadenz nicht gekommen, da bin ich mir sicher. Wer schon einmal einen Witz erzählt hat weiß, dass die Pointe durch den überraschenden Effekt entsteht. Man lenkt den Hörer auf eine Fährte und dann kommt die plötzliche Überraschung. Damit hatte niemand gerechtet und der Lacher ist garantiert. Dieser Trick hat auch gestern Abend ca. 10 bis 15 Mal funktioniert (siehe die einleitende abgekupferte Pointe). Eine andere Frage stellte sich mir, was wohl die Dramaturgen in so einem Stück machen. Sitzen die im Büro und schauen DVDs um sich aus „Der Wixxer“, „Schuh des Manitu“ und anderen Kino und Fernseh-Comedie-Erfolgen die griffigsten Gags rauszuschreiben. Archivieren sie die dann  und legen ein ausgeklügeltes Zugriffsmuster an um aus der prall gefüllten Datenbank Gags für jede Stimmungslage zu filtern? Oder sind Dramaturgen gewiefte Marketingstrategen die wissen wie man jedes Stück an den Mann bringt. Man kann z. B. einen Namen ins Spiel bringen der Leute neugierig macht. Alfred Hitchcock! Im Programmheft wurde ihm ein gebührender Platz eingerichtet. Doch hat Hitchcock mit dieser Inszenierung so viel zu tun wie Sellerie mit Obstsalat. Nach dieser Vorstellung ist das eine interessante Frage mit der ich mich noch einige Zeit beschäftigen werde.
Dann ist da noch das Schauspiel. Die Schauspieler sind die Seele des Theaters. Glaube ich zumindest, auch jetzt noch. Da bin ich unbeirrt. Zunächst einmal muss man wissen, Schauspieler haben das Handwerk gelernt. Damit heben sie sich vom Amateur ab. Ein ausgebildeter Handwerker kann viel schneller und erfahrener Entscheidungen treffen wie eine Situation ausgeführt werden kann als ein Amateur. Wenn allerdings diese zweifelsfrei vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten als sportliche Höchstleistung abgerufen werden, dann fehlt etwas was den professionellen Schauspieler ausmacht. Der Zauber! Man kann mit Spieltechink und Gestaltungideen z.B. ein Auto oder einen Zug darstellen. Man erkennt den Zug und versteht, es soll ein Auto sein. Wenn der Schauspieler aber nicht über den Grad der Sportlichkeit wirken darf dann muss der Zuschauer seinen Beitrag zum Zug und zum Auto leisten. Und diese Eigenleistung, die eine rationale ist, verhindert den Zauber. Der Zuschauer kann anschließend einen Evaluationsbogen ausfüllen, erlebt hat er nix und verzaubert wurde er schon gar nicht. Es kann natürlich sein das es nie beabsichtigt war – wie schade.
Einer sticht aus dem Ensemble heraus wie eine Nonne im Bordell. Dieser eine hält das Stück zusammen. Überall da wo die Gags schwach oder kaum wahrnehmbar sind erklingt seine Kongruenz und Präzision. Er macht den Geräusch- und Klangteppich auf dem das Spiel voranschreitet. Er ist der Hans Zimmer des Theaters. Er macht die Life-Realtime-Nachvertonung des Stücks. Sein Name ist Martin Kruzig. Über die anderen Schauspieler bilde ich mir ein Urteil wenn ich die Gelegenheit sehe das sie ihre Kreativität zum Einsatz bringen können (bevor sie zum Sport müssen). 
Ich kann nur empfehlen sich das Stück anzuschauen. Man kommt - was Lachen betrifft - immer auf seine Kosten, keine Frage. Und wer ein leidenschaftlicher Theatergänger ist hat Gelegenheit einen Eindruck davon zu bekommen, unter welchen Zwängen das Theater steht und welche Kompromisse eingegangen werden um das Haus zu füllen. 

Montag, 5. September 2011

„Haie küsst man nicht“ im piccolo teatro

Bremerhaven Das schwierige an der Tragikkomödie ist der Ernst. Die großen Themen der Menschen sind immer noch Liebe und vor allem die enttäuschte Liebe. Als Betroffener kann man nur schwer damit umgehen. Manche nehmen sich sogar das Leben oder nehmen ihrem Expartner das Leben, wie es erst jüngst im nördlichen Landkreis geschah. Wenn solche Dinge im Theater angesprochen werden dann ist das nicht zur Belustigung. Andererseits ist das Theater auch kein öffentliches Therapiezentrum für Hobbypsychologie. Vielmehr bietet uns die Bühne die Gelegenheit ergreifende Situationen aus dem Leben mit einer Distanz anzuschauen, um unser eigenes Schicksal leichter zu ertragen. Man könnte auch sagen, Theater ist die qualifizierte Form der Kommunikation über Dinge zu reflektieren die auf rationaler Ebene zu keinem befriedigendem Ergebnis führen würden.
Dayen Tuskan als Eva Liebchen
Ein überzeugendes Beispiel für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Komik und Tragik gibt es derzeit im kleinsten Zimmertheater Bremerhavens zu sehen. Mit „Haie küsst man nicht“ von Stefanie Stroebele spielt dort Dayen Tuskan die Eva Liebchen. Liebchen hat sich während ihrer Geburtstagsparty in den Kindergarten, ihrem Arbeitsplatz, geflüchtet. Sie hatte beobachten müssen wie ihr Freund Martin mit ihrer besten Freundin heimlich knutschte. Dabei hoffte sie heute auf einen Heiratsantrag von ihm. In Tränen aufgelöst schmiedet sie nun Pläne von Mord und Selbstmord, welche sie auch mehr oder weniger in die Tat setzt. Und hier darf man Dayen Tuskan Anerkennung aussprechen wie sie die Balance, zwischen Tragik die zu echtem mitfühlen führt und der darin liegenden Komik die uns darüber hinweg hilft, hält.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Eva Liebchen erinnert sich im Angesicht des „Todes“ an die Zeit mit Martin wie sie ein Paar wurden. Mit Rückblenden, wechselnden Rollen und Orten fliegen wir mit Eva durch die Stationen ihrer Liebesgeschichte und allen dazu gehörigen Kapriolen. Roberto Widmer, der schon auf 20 Jahre Regieerfahrung blickt, hat hier einmal mehr gezeigt wie man alle Register im Theater ziehen kann. Sein Ideenreichtum verbunden mit der Spielfreude und Wandlungsfähigkeit von Dayen Tuskan reißt jeden mit. Die beiden haben gezeigt wie man aus einem ehr dürftigen Text einen begeisternden Theaterabend machen kann. Am überraschendem Ende gab es dann auch viel verdienten Applaus. Es bleibt nur zu hoffen das es noch häufig gespielt wird. Die nächsten Aufführungen von „Haie küsst man nicht“ sind am 11. Sept. so wie am 16., 21. und 23. Oktober. Karten mit Kombiticket für den Bus gibt es unter 0471-4838 777 oder per eMail info@haventheater.de

Samstag, 3. September 2011

Gemälde und Bronzen im „KunstRaum“ Geestemünde


Bronzegruppe R. Schmitter
Bremerhaven Am Freitag öffnete sich die Tür für die neue Ausstellung im KunstRaum Geestemünde in der Schillerstraße 38 mit Acrylbildern von Ursula Collmann und kleinen bronzenen Plastiken von Rotraud Schmitter. Der KunstRaum war, wie immer zu den Eröffnungen, sehr gut besucht.
Man kann es ohne Übertreibung behaupten: Geestemünde, und damit auch die ganze Stadt, ist durch die kleine von einer Interessengemeinschaft geführten Galerie, bedeutend aufgewertet. Hier werden Monat für Monat mit einem leidenschaftlichem Einsatz Künstler aus der Region ausgestellt. Mit sanfter, schon ehr zurückhaltender finanzieller Förderung, und einem nicht mehr zählbaren ehrenamtlichen Zeitaufwand haben die Galeriebetreiber eine kulturelle Duftnote gesetzt. Eine Stadt, die sich auf den Tourismus verlegte, sollte für die zig Millionen jährlichen Gäste ein kulturelles Angebot bieten, dass sich über Shopping hinaus erstreckt. In Geestemünde gibt es hier eine gute Mischung. Der Stadtteil hat noch einige ansprechende Fachgeschäfte die zum bummeln einladen. Mit dem vierwöchentlich wechselnden Ausstellungen wird dem Touristen dazu noch ein flexibles Kunsterlebnis geboten.
Acryl/Wachs Ursula Collmann
Für die kommenden vier Wochen stellen nun Ursula Collmann und Rotraud Schmitter aus. Collmanns Acrylbilder bieten viel Raum für Fantasie. Die Bilder springen mit ihren Farbkompositionen förmlich von der Leinwand. Gleichzeitig wirken sie wie mit von einem leichten Farbnebel eingehüllt. Und hinter dem Schleier aus bunten tanzenden Farben spielt sich etwas ab, Mal mehr Mal weniger konkretes an dem das Auge hängenbleibt, und von dem man sich gerne in die Tiefe des Bildes ziehen lässt. Beide Künstlerinnen arbeiten in ähnlicher Weise. Das Material bearbeiten sie - oder tragen es auf - in einer Form dass sie spontan reagieren müssen. Die Künstlerinnen sind im Wechselspiel mit den entstehenden Werken. Ursula Collmann wünscht sich mit den Betrachter in einen Dialog zu treten um deren Sichtweisen und Berührungspunkte herauszufinden.
Die kleinen bronzenen Plastiken von Rotraud Schmitter sind fein modellierte Hohlkörper. Es entsteht eine leichte Irritation beim betrachten. Man weiß Bronze ist starr und schwer, doch die Plastiken wirken leicht und im Begriff sich zu bewegen. Die Oberflächen sind rau und detailintensiv gestaltet. Sie sind farblich gearbeitet durch Behandlung mit Chemikalien und durch Feuer oder auch sägen, raspeln, schleifen. Rotraud Schmitter beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Metamorphose. Die Figuren zeigen diese Wandlungen facettenreich. Im Mittelpunkt steht bei ihr der weibliche Körper mit all den vielfältigen Aspekten der Schöpfung. Da ist eine Nixe mit Fischkopf und untenrum keine einzige Schuppe. Oder eine Eva die ein geläutertes Schönheitsideal verkörpert.
Bronze R. Schmitter
Die Ausstellung dauert noch bis zum 30. September. Geöffnet ist Mo. bis Fr. von 16:00 bis 19:00, Sa. 12:00 bis 15:00 und So. 14:00 bis 17:00. Die Künstlerinnen sind dann anwesend.

Sonntag, 28. August 2011

piccolo teatro haventheater geht in die nächste Spielzeit


Bremerhaven Mit „Haie küsst man nicht“ geht das kleine Zimmertheater in der Bürger 200 in die zweite Spielzeit. Das piccolo teatro ist in der Stadt gut angekommen.
Seit Mai diesen Jahres hat das kleine 40-Plätze-Theater die Türen geöffnet und seitdem schon über 1200 Besucher einen schönen Theater Abend geboten. Offensichtlich reicht das Theaterinteresse in der Stadt weit über das Angebot des Stadttheaters hinaus. Man muss auch mit Achtung den Hut vor Roberto Widmers Mut ziehen. Im Gegensatz zum etablierten Riesen bekommt das piccolo teatro keine Förderung. Allein die Ticketerlöse müssen reichen um den Betrieb zu gewährleisten. Obwohl nun schon einige Monate Spielbetrieb war, ist das Theater noch nicht überall bekannt, denn auch die Mundpropaganda braucht ihre Zeit. Diejenigen die es bis jetzt noch nicht geschafft haben eine Vorstellung zu besuchen, und die intime Atmosphäre erlebten, wird nun mit einer neuen Spielzeit die Gelegenheit gegeben.
Dayen Tuskan als Eva Liebling
Am Samstag den 3. September ist Premiere der temperamentvollen Ein-Frau-Komödie „Haie küsst man nicht“ von Stefanie Stroebele. Die Kindergärtnerin Eva Liebling, gespielt von Dayen Tuskan, die vielen von der Niederdeutschen Bühne Waterkant und dem Stadttheater bekannt ist, hofft auf einen Heiratsantrag. An ihrem Geburtstag erwischt sie allerdings ihren Freund beim innigen Kuss mit ihrer besten Freundin. Verzweifelt flüchtet sie in ihren Kindergarten um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. In dem mit Pointen gespickten Monolog erfahren die Zuschauer, dass man sich mit WC-Reiniger nicht umbringen kann und warum es besser ist manche Haie doch zu küssen.
Die nächste Vorstellung ist am 4. Sept., Karten gibt es an der Abendkasse oder auf Vorbestellung unter 0471-4838 777. Die Theaterkasse hat jeweils Donnerstag zwischen 14 und 17 Uhr geöffnet. www.haventheater.de  In dieser Spielzeit findet sich das Logo von „Bremerhaven Bus“ auf den Karten, und berechtigt zur kostenlosen Nutzung der Busse via Kombiticket. Einige Gastronomiebetriebe in der Alten Bürger bieten den Theatergästen Ermässigungen oder freie Getränke. Das sind gute Vorzeichen für eine Bereicherung der aufkommenden Theaterszene in Bremerhaven. Vom piccolo teatro können wir noch einiges erwarten.

Sonntag, 14. August 2011

Die Waffen nieder, sofort!


Meinetwegen könnten alle Waffen aus der Welt verschwinden. Einschmelzen und weg damit. Ich stelle mir das in etwa so vor:
Alle Waffen auf der Welt werden getrennt in Metall und explosive Stoffe. Dann werden die Metalle eingeschmolzen die man als Rohstoff für Gebrauchsgegenstände verwendet. Die Gegenstände werden kostenlos verteilt. Mit den explosiven Stoffen werden die Schmelzöfen angeheizt. Das nennen wir dann „humane Aufrüstung“. Mit dem Rüstungsetat der Welt wird dann eine bessere Bildung aufgestellt. Eine Bildung in denen wir Menschen lernen Konflikte friedlich beizulegen. Ausserdem werden zig Tausende von Streitschlichtern/Moderatoren ausgebildet die überall zur Verfügung stehen. Hochgestellte Persönlichkeiten in Politik und Wirtschaft gehen dann mit gutem Beispiel voran in dem sie aufrichtige Kompromissbereitschaft vorleben, und zeigen dass sie ernsthaft an Lösungen interessiert sind. Dann ist immer noch jede Menge Geld vorhanden. Das wird dafür genutzt weltweit Agrarprogramme aufzustellen mit denen eine gesunde Ernährung sicher gestellt wird. Das alles wird wahrscheinlich kaum ein Zehntel der aktuellen weltweiten Rüstungsausgaben ausmachen. Der Rest geht dann als einmalige Abfindung an die Banken die Gläubiger von Staatsschulden sind. Dafür verzichten sie in Zukunft auf Zinsen und Zinseszinsen wenn sie überhaupt noch Kredite vergeben.
Konflikte die sich selbst bei Schlichtern nicht lösen lassen werden im Faustkampf entschieden. Das gilt sowohl für Konflikte zwischen einzelnen Streithähnen wie auch bei Konflikten ganzer Nationen und Religionen. Die Nationen müssen je eine Person auswählen und ins Rennen schicken. Der Sieger wird dann von der Gemeinschaft der Menschen verstoßen. Erst nach einer Dauer von zig Jahren und mit einer förmlichen glaubhaften Entschuldigung wird er wieder in der Gemeinschaft aufgenommen. Frieden ist das oberste Ziel und gemeinschaftliches Miteinander. Wer streiten will darf eben keinen Platz in der Gemeinschaft haben.
Derartige Gedanken und Wünsche werden in mir wach wenn ich an den Doppelmörder denke der jüngst in Berlin auf offener Straße rumballerte, oder der Amoklauf der kürzlich aus Amerika gemeldet wurde, und natürlich wenn ich daran denke wenn nun in Ägypten das Militär die Herrschaft an sich reissen wird oder die Gewalt in Syrien, Lybien, die zig Terrorakte jedweder Gruppierungen, die bundesdeutschen Kollateralschäden in Afghanistan, die Unruhen in London, vor wenigen Jahren in Paris und und und… 
Wir verbrauchen mehr Geld um uns umzubringen als uns zu bilden und kulturell zu entwickeln. Wir gehören alle ins Irrenhaus, von Innen abschließen und den Schlüssel rauswerfen. Man kann nur hoffen das wir bald verrecken und Ratten und kleine Käfer die Erde wieder für sich haben. Wir haben sie wirklich nicht verdient.

Freitag, 5. August 2011

Max Peter Pohl - "Erotische Malerei" im KunstRaum Geestemünde

Hier ist meine Eröffnungsrede zur o.g. Austellung.  Die Abbildungen sind Ausschnitte von Bildern der Austellung hier gepostet mit freundlicher Genehmigung von Max Peter Pohl.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich darf sie herzlich zu dieser Ausstellung begrüßen.
Im Rahmen dieser Ausstellung werden wir am Donnerstag den 18. August, also in zwei Wochen, um 19:00 hier im KunstRaum eine Lesung der Vagina-Monologe von Eve Ensler halten.  Ich lese dann zusammen mit der Schauspielerin Marcella Ruscigno.  Es wäre schön wenn sie diese Gelegenheit nutzen würden, um einen zweiten Besuch der Malerei von Max Peter Pohl zu widmen.  Informationen zur Lesung finden sie auf den Karten die hier ausgelegt sind.
Gedanken über Rezeption
Max Peter Pohl ist Bremerhavener, ein Künstler dieser Stadt.  Er hat schon mehrfach in Bremerhaven, Hamburg, Magdeburg und Leipzig ausgestellt.  Darüber hinaus erlangte er durch mehrere Veröffentlichungen internationale Aufmerksamkeit.  Er hat 6 Jahre als Schauwerbegestalter gearbeitet und etwa ein Jahrzehnt als Kulissenschieber im Stadttheater. 1970 begann er zu malen. Sein erster Lehrer, sein Vater Fritz Pohl, war Landschaftsmaler.  Im Stadttheater Bremerhaven lernte Max Pohl viel vom damaligen Leiter des Malersaals, Alexander Freudenthal, der einigen von ihnen sicherlich noch ein Begriff ist.  Seit 1990 beschäftigt er sich mit der Richtung die als „Dark Art“ bezeichnet wird, die Bilder und Objekte die sie hier sehen.
Ich bin nicht ausreichend kompetent etwas über Malstil, Farben, Kompositionen und Materialien zu referieren. Meine Ausbildung ist die zum Regisseur gewesen, Handlung und Kommunikation sind meine künstlerischen Themen.
Daher möchte ich sie einladen mit mir kurz darüber zu reflektieren, wie wir vor einem Kunstwerk stehen, und was zwischen Kunstwerk und uns, dem Betrachter, passieren kann.  Etwas das unabhängig ist vom künstlerischen Genre.

Zunächst einmal sollten wir wissen, dass ein Künstler nur solange Einfluss auf sein Werk hat, bis er es für fertig erklärt.  Bis dahin kann er noch mit dem Pinsel etwas hinzufügen und verfeinern, kann eine Aussage hervorheben oder verschleiern, subtiler anlegen oder umdeuten und vieles mehr.  Aber wenn es fertig ist und hier an der Wand hängt, kann der Rezipient damit tun was immer er will.  Das Werk ist dann der Betrachtung ausgesetzt.
Wenn Menschen kreativ werden sollte man ihnen freien Lauf lassen  –  sofern sie handwerklich und künstlerisch etwas anzubieten haben wie es bei Max Peter Pohl zu sehen ist  –  damit am Ende etwas heraus kommt womit wir nicht gerechnet haben, damit wir überrascht sein dürfen wie unsere Weltsicht bereichert wird.  Wie wir es verstehen mit einer neuen fremden Weltsicht umzugehen, liegt in unserer kulturellen Entwicklung als einzelne Person und als Gesellschaft gleichermaßen.  Sind wir tolerant?  So wie eine lebendige offene Kultur die stark genug ist zu integrieren?  Oder sind wir eine destruktive, kontrollierende, tote Kultur die begrenzt, ausschließt und abstößt?
In der Wirtschaft werden Produkte so gestaltet und angeboten das die Wünsche der Kunden/Rezipienten bedient werden.  In der Kunst ist das anders.  Der Künstler formt etwas das er geschaut hat in Bilder, Darstellung, Skulptur oder Worte.  Kunstwerke haben keine rationalen Ursprünge.  Es sind Aussagen die jemand gehoben hat, aus dem seelischem Meer der Unendlichkeit, um die rationale Alltagswelt besser verstehen zu lernen.  Als Rezipienten sind wir eingeladen durch das fertige Werk/Bild oder Objekt von unserem Alltag Abstand zu bekommen und für einen Moment der kontemplativen Betrachtung etwas neues, anderes, unbekanntes, überraschendes in unser Leben zu lassen.  Kunst zu betrachten ist eine starke, risikoreiche Herausforderung.  Wer nur ein schnelles Urteil bevorzugt und nach Facebook-Manier „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht mehr“ anklickt, der hat das Kunstwerk überhaupt nie gesehen.  Der hat bestenfalls einen äußeren Reiz wahrgenommen um sein eigenes Kopfkino in Gang zu setzen.
Premieren, oder wie hier eine Vernissage, sind gleichzusetzen mit dem ersten Kuss.  Es ist die Einladung zu einer unwiederbringlichen Begegnung.  Das Werk und der Betrachter bestehen unabhängig von einander und haben beide ihre Berechtigung im „So-Sein“.  Es wäre eine vertane Gelegenheit  –  und eine dekadente Ausschweifung zugleich  –  in der Betrachtung zu einem Urteil oder zu einer Geschmacksaussage zu gelangen.

Was macht das Bild oder Objekt mit mir?  Macht es mich wütend, fröhlich, skeptisch?  Möchte ich spontan faule Tomaten darauf werfen, oder kommen meine Körpersäfte in Wallungen?  Diese Bilder sind keine leicht verdauliche Kost.  Man muss nicht mit allem einverstanden sein was man darauf abgebildet sieht.  „Ich bin es nicht.“  Was wir sehen ist allerdings ein Teil unseres Menschseins.  Wir sind nicht nur pastell-Herzchen-malende-Aquarell-Harmonien.  Wir sind auch böse, leidenschaftlich, verzweifelt, grausam, verstört, todtraurig, voller Begehren, masochistisch, gewalttätig, zupackend, wild, aufbrausend, zornig, gemein, niederträchtig und und und………  Diese Seiten von uns zu leugnen ist sinnlos!  Diese Seiten zu kultivieren  –  mit der Kraft der zivilisierten Reflektion  –  kann eine Hilfe sein, um alle unsere Erscheinungsformen zu verstehen und zu formen, damit  –  mittlerweile im 3. Jahrtausend der Evolution unserer Zeitrechnung  –  ein Miteinander in der Gemeinschaft aller Menschen möglich ist.
Ich hoffe diese kleine Einstimmung hilft ihnen sich von den Werken Max Peter Pohls konfrontieren zu lassen.  Sie sind niemanden Rechenschaft schuldig, wenn sie Abgründe in sich entdecken.  Nutzen sie die Gelegenheit um in den Bildern und Objekten einen Spiegel zu sehen und einen neuen überraschenden Kontakt mit sich selbst zu finden.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

Dienstag, 2. August 2011

Erntestimmung auf dem Marktplatz



In bester Erntelaune Hai-Dang Duong, Jonas
Hagemann, Sebastian Arndt und Jill Falter
Bremerhaven Manchmal sind es die kleinen Aktionen im direkten Kontakt mit den Bürgern die eine gehobene Lebensqualität schaffen. „Onethreethree“ (133) holt sechs Kisten Gemüse bei der ersten Ernte auf dem Theodor-Heuss-Platz aus der Erde.
Zu viert haben sich „Onethreethree“ am Denkmal des Stadtgründers Dr. Johann Smidt zur Ernte getroffen. Grün quillt es durch den Stahlgitterzaun. Leute bleiben stehen und schauen interessiert was passiert. Die Aktionsgärtner ziehen Rettiche, Mangold, Zwiebeln und Rote Beete aus dem Boden. Es wird höchste Zeit, denn dicht an dicht stehen noch andere Pflanzen die dringend Platz und Licht benötigen. Es kommen Kohlrabi und Zucchini um Vorschein. Und nachdem das Unkraut weg ist erkennt man auch noch Porree und kleine Möhren.
Den Möhren ist es nicht so gut ergangen. Offensichtlich hat schon so manche unkundige, rüpelhafte Hand über das Stahlgitter gegriffen und verwüstet. Leider ist das in der Innenstadt kein Einzelfall. Bereits die Begrünungsaktion in der Fussgängerzone vom Frühjahr wurde vom Vandalismus heimgesucht. Ingo Krüger, Leiter der Schutzpolizei Abt. Süd, berichtet dazu: „Die Leute kommen aus der „Nachtschicht“, und auf dem Heimweg reißen sie ein paar Stiefmütterchen aus um zu zeigen was für Kerle sie sind. Wenn die Gäste alkoholisiert sind, mangelt es ihnen an Respekt vor individuellen Werten und dem Besitz anderer. Für die Betroffenen ist das ärgerlich.“
Weiße oder rote Zwiebeln
Nach einer knappen Stunde ist das Beet abgeerntet und gejätet. Das Unkraut ist in Tüten verstaut und die Feldfrüchte häufen sich am Boden. Ca. 40 Passanten blieben kurz stehen. Eine ältere Dame bittet um einen Zweig Basilikum, andere fachsimpeln über weiße und rote Zwiebeln und wieder andere tauschen Kochrezepte aus. „Der Rhabarber ist aber dünn“, wundert sich eine Frau. Ihre Bekannte klärt sie auf, dass es sich um Mangold handele. Und schon geht das Gespräch weiter über Italien, blanchieren und Spinat. Die Aktion regt zu Gesprächen an mit Leuten die man noch nie zuvor gesehen hatte. Offensichtlich besteht ein Bedarf zu ungezwungener öffentlicher Kommunikation.
Dann taucht die Frage auf wohin das Gemüse nun kommen solle. Sebastian Arndt (133) erklärt sie hätten an die Mensa gedacht, aber es sind Ferien und da gäbe es keine Verwendung. Doch dann haben sie bei der Bremerhavener Tafel angefragt. Eva Maria Wagner, stellvertretende Leiterin der Brhv. Tafel, hat mit den Studenten einen Termin vereinbart und einen Wagen geschickt. Von privat erhalten sie manchmal Spenden. Wenn z.B. die Apfelernte einen Überschuss gebracht hat, ein Verein richtet Mal eine Tombola aus oder jemand kommt mit einem Karton Nudeln vorbei.
Dann ist es soweit. Der Lieferwagen biegt auf den Platz ein, die Kisten werden verladen, noch ein schnelles Erinnerungsfoto, und alle gehen heim. Das Beet hat noch viel zu bieten. Und im September ist dann die letzte Ernte. Vielleicht wird es ja ein spontanes Erntefest?!


Samstag, 30. Juli 2011

Gemüse für die Bremerhavener Tafel

Bremerhaven „Onethreethree“ (133) pflanzte und pflegte ein Gemüsebeet zu Füßen des Stadtgründers auf dem Theodor-Heuss-Platz. Am Montag ist Ernte. Das Gemüse wird der Bremerhavener Tafel zur Verfügung gestellt.
In der Seestadt ist die Gruppe „Onethreethree“ schon durch einige Aktionen in Erscheinung getreten. Tarp surfen, Hein Mück, Lehe rec und die Begrünung der Fußgängerzone sind schon vielen Bürgern aufgefallen. Die Gruppe besteht aus jungen Leuten die aus verschiedenen Gegenden Deutschlands kommen und an der Hochschule Bremerhaven studieren. Sie hatten die Idee das öffentliche Stadtleben mit kreativen Aktionen zu bereichern. Also setzen sie sich zum Brainstorming zusammen. Mit den daraus folgenden Ideen wie z.B. Tarp surfing erlangten sie weit reichende Aufmerksamkeit bis hin zu „buten und binnen“ und Stefan Raab. Nach der Pflanzen Aktion in der Fußgängerzone vom Frühjahr mit Stiefmütterchen in Handtaschen und Rucksäcken die sie an Straßenschilder hängten, und kleinen Rasenkästen auf Papierkörben sowie einer Rasenbank vor der Großen Kirche, kommt am Montag eine weitere Pflanz Aktion zu einem guten Ende.
Die Grünfläche rund um Bgm.-Smidt auf dem Th.-Heuss-Platz haben die Studenten zum Gemüsebeet gewandelt. Beim Gartenbauamt reichten sie Skizzen und Beschreibung ein. Dann wählten sie mit den Abteilungsleitern Reinecke und Teichmann den umzäunten Platz aus, um z.B. Hunde daran zu hindern an die Pflanzen zu pinkeln. Die Pflanzen zogen sie im Gewächshaus der Gärtnerei Rieger auf. Von der Gärtnerei wurden sie auch großzügig unterstützt mit Gartenerde und Transporthilfen. Am 31. Mai wurden die Setzlinge auf dem Th.-Heuss-Platz in die Erde gebracht. Das Gartenbauamt wässerte und „Onethreethree“ kümmerten sich um die Kultur begleitenden Pflanzen.
Passanten aus dem Stadttheater die am Beet vorbei kamen, blieben stehen und gaben freizügig den einen oder anderen guten Gärtnertip. Einige junge Touristen fotografierten und äußerten sich zu der gelungenen Idee eine öffentliche Grünfläche einmal anders zu nutzen. Wie Werner Teichmann vom Gartenbauamt berichtetet gab es allerdings auch einige wenige Briefe von älteren Mitbürgern, die ihren Unmut zu der Bepflanzung darstellten. Die überwiegenden Reaktionen von Bremerhavenern und Touristen waren allerdings positiv.
Am Montag ist nun Ernte angesagt. Die Erträge werden von den Studenten an die Bremerhavener Tafel ausgeliefert. Da stellt sich der Verfasser die Frage ob diese Aktion nicht auch in anderen Rahmen Schule machen könnte? Wie wäre es einen Mensagarten, betrieben vom Studiengang Lebensmitteltechnologie, an der Hochschule einzurichten. Die Ernte könnte dann den Studenten zugute kommen. Oder die weitläufigen Rasenflächen um Wohnblocks der diversen Wohnungsbaugesellschaften könnten den Bewohnern kostenlos zum gärtnern angeboten werden. Urban gardening ist ja schließlich im Trend. Viele Bürger ziehen aus den Lebensmittelskandalen und der geringen sozialen Grundversorgung die Konsequenz selber etwas für den Haushalt anzubauen.
So sind Feldsalat und Radieschen mehr als nur ein Gag von Studenten. Sie sind auch ein Anstoß darüber nachzudenken wie wir unser Leben mit einfachen Mitteln wertvoller gestalten können. Wir dürfen gespannt sein womit uns „Onethreethree“ noch überrascht.