Freitag, 5. August 2011

Max Peter Pohl - "Erotische Malerei" im KunstRaum Geestemünde

Hier ist meine Eröffnungsrede zur o.g. Austellung.  Die Abbildungen sind Ausschnitte von Bildern der Austellung hier gepostet mit freundlicher Genehmigung von Max Peter Pohl.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich darf sie herzlich zu dieser Ausstellung begrüßen.
Im Rahmen dieser Ausstellung werden wir am Donnerstag den 18. August, also in zwei Wochen, um 19:00 hier im KunstRaum eine Lesung der Vagina-Monologe von Eve Ensler halten.  Ich lese dann zusammen mit der Schauspielerin Marcella Ruscigno.  Es wäre schön wenn sie diese Gelegenheit nutzen würden, um einen zweiten Besuch der Malerei von Max Peter Pohl zu widmen.  Informationen zur Lesung finden sie auf den Karten die hier ausgelegt sind.
Gedanken über Rezeption
Max Peter Pohl ist Bremerhavener, ein Künstler dieser Stadt.  Er hat schon mehrfach in Bremerhaven, Hamburg, Magdeburg und Leipzig ausgestellt.  Darüber hinaus erlangte er durch mehrere Veröffentlichungen internationale Aufmerksamkeit.  Er hat 6 Jahre als Schauwerbegestalter gearbeitet und etwa ein Jahrzehnt als Kulissenschieber im Stadttheater. 1970 begann er zu malen. Sein erster Lehrer, sein Vater Fritz Pohl, war Landschaftsmaler.  Im Stadttheater Bremerhaven lernte Max Pohl viel vom damaligen Leiter des Malersaals, Alexander Freudenthal, der einigen von ihnen sicherlich noch ein Begriff ist.  Seit 1990 beschäftigt er sich mit der Richtung die als „Dark Art“ bezeichnet wird, die Bilder und Objekte die sie hier sehen.
Ich bin nicht ausreichend kompetent etwas über Malstil, Farben, Kompositionen und Materialien zu referieren. Meine Ausbildung ist die zum Regisseur gewesen, Handlung und Kommunikation sind meine künstlerischen Themen.
Daher möchte ich sie einladen mit mir kurz darüber zu reflektieren, wie wir vor einem Kunstwerk stehen, und was zwischen Kunstwerk und uns, dem Betrachter, passieren kann.  Etwas das unabhängig ist vom künstlerischen Genre.

Zunächst einmal sollten wir wissen, dass ein Künstler nur solange Einfluss auf sein Werk hat, bis er es für fertig erklärt.  Bis dahin kann er noch mit dem Pinsel etwas hinzufügen und verfeinern, kann eine Aussage hervorheben oder verschleiern, subtiler anlegen oder umdeuten und vieles mehr.  Aber wenn es fertig ist und hier an der Wand hängt, kann der Rezipient damit tun was immer er will.  Das Werk ist dann der Betrachtung ausgesetzt.
Wenn Menschen kreativ werden sollte man ihnen freien Lauf lassen  –  sofern sie handwerklich und künstlerisch etwas anzubieten haben wie es bei Max Peter Pohl zu sehen ist  –  damit am Ende etwas heraus kommt womit wir nicht gerechnet haben, damit wir überrascht sein dürfen wie unsere Weltsicht bereichert wird.  Wie wir es verstehen mit einer neuen fremden Weltsicht umzugehen, liegt in unserer kulturellen Entwicklung als einzelne Person und als Gesellschaft gleichermaßen.  Sind wir tolerant?  So wie eine lebendige offene Kultur die stark genug ist zu integrieren?  Oder sind wir eine destruktive, kontrollierende, tote Kultur die begrenzt, ausschließt und abstößt?
In der Wirtschaft werden Produkte so gestaltet und angeboten das die Wünsche der Kunden/Rezipienten bedient werden.  In der Kunst ist das anders.  Der Künstler formt etwas das er geschaut hat in Bilder, Darstellung, Skulptur oder Worte.  Kunstwerke haben keine rationalen Ursprünge.  Es sind Aussagen die jemand gehoben hat, aus dem seelischem Meer der Unendlichkeit, um die rationale Alltagswelt besser verstehen zu lernen.  Als Rezipienten sind wir eingeladen durch das fertige Werk/Bild oder Objekt von unserem Alltag Abstand zu bekommen und für einen Moment der kontemplativen Betrachtung etwas neues, anderes, unbekanntes, überraschendes in unser Leben zu lassen.  Kunst zu betrachten ist eine starke, risikoreiche Herausforderung.  Wer nur ein schnelles Urteil bevorzugt und nach Facebook-Manier „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht mehr“ anklickt, der hat das Kunstwerk überhaupt nie gesehen.  Der hat bestenfalls einen äußeren Reiz wahrgenommen um sein eigenes Kopfkino in Gang zu setzen.
Premieren, oder wie hier eine Vernissage, sind gleichzusetzen mit dem ersten Kuss.  Es ist die Einladung zu einer unwiederbringlichen Begegnung.  Das Werk und der Betrachter bestehen unabhängig von einander und haben beide ihre Berechtigung im „So-Sein“.  Es wäre eine vertane Gelegenheit  –  und eine dekadente Ausschweifung zugleich  –  in der Betrachtung zu einem Urteil oder zu einer Geschmacksaussage zu gelangen.

Was macht das Bild oder Objekt mit mir?  Macht es mich wütend, fröhlich, skeptisch?  Möchte ich spontan faule Tomaten darauf werfen, oder kommen meine Körpersäfte in Wallungen?  Diese Bilder sind keine leicht verdauliche Kost.  Man muss nicht mit allem einverstanden sein was man darauf abgebildet sieht.  „Ich bin es nicht.“  Was wir sehen ist allerdings ein Teil unseres Menschseins.  Wir sind nicht nur pastell-Herzchen-malende-Aquarell-Harmonien.  Wir sind auch böse, leidenschaftlich, verzweifelt, grausam, verstört, todtraurig, voller Begehren, masochistisch, gewalttätig, zupackend, wild, aufbrausend, zornig, gemein, niederträchtig und und und………  Diese Seiten von uns zu leugnen ist sinnlos!  Diese Seiten zu kultivieren  –  mit der Kraft der zivilisierten Reflektion  –  kann eine Hilfe sein, um alle unsere Erscheinungsformen zu verstehen und zu formen, damit  –  mittlerweile im 3. Jahrtausend der Evolution unserer Zeitrechnung  –  ein Miteinander in der Gemeinschaft aller Menschen möglich ist.
Ich hoffe diese kleine Einstimmung hilft ihnen sich von den Werken Max Peter Pohls konfrontieren zu lassen.  Sie sind niemanden Rechenschaft schuldig, wenn sie Abgründe in sich entdecken.  Nutzen sie die Gelegenheit um in den Bildern und Objekten einen Spiegel zu sehen und einen neuen überraschenden Kontakt mit sich selbst zu finden.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

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